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Nur Talke ?



6 Monate später

oder

„Aus den Augen, aus dem Sinn“

  

Seit 8 Monaten sind wir nun zu dritt, seit 10 Monaten leben wir ohne Talke’s Lachen, ihr schelmisches Grinsen und ihr freches Wesen ! Die Zeit ist für uns stehengeblieben, wir finden keine Ruhe ! Es ist so bitter, daß das jüngste, unschuldigste Familienmitglied nicht mehr lebt und wir niemals erfahren werden,

 

- welchen Sport sie gerne ausgeübt hätte

- welchen Ranzen und Schultüte sie sich ausgesucht hätte 

- wie sie in der Schule zurechtgekommen wäre und für welches Schulfach sie sich

  begeistert hätte

- Freund oder Freundin ?

- vielleicht wäre ja auch der unwahrscheinliche Fall einer musikalischen Begabung

  eingetreten ...

- Oder, wenn, hätte, würde, könnte, wollte ....

 

Wir wollen kein Mitleid (höchstens für Talke), lediglich etwas Mitgefühl anstatt der üblichen Floskeln wie „das Leben geht weiter“ oder „die Zeit heilt ja alle Wunden“ ... Die Unbeschwert- und Unbekümmertheit von vielen uns umgebenen Menschen, gepaart mit unsensiblem Verhalten, macht uns am meisten zu schaffen. Derweil wir uns der Behandlung eines Psychologen stellen, um das Geschehen zu verarbeiten und wieder ein einigermaßen normales Leben zu führen, gibt es für viele Menschen scheinbar nichts wichtigeres, als irgendwelche materiellen Dinge ! Das Verständnis, auch von uns vermeintlich nahestehenden Menschen, nimmt von Tag zu Tag ab, man geht wieder zur Tagesordnung über.

Talke, aus den Augen, aus dem Sinn !
 

Wie ein Film laufen die Geschehnisse des letzten Jahres immer und immer wieder vor unseren Augen ab. Jeder Satz beginnt mit "weißt Du noch ..." oder "vor einem Jahr haben wir jetzt" ... Entweder wird er beantwortet mit Schweigen oder einem "es ist besser so..." !

Aber was ist besser geworden ?

 

- Das wir zu dritt sind ?

 

- Das wir durch ein Haus voller Erinnerungen schleichen, durch ein

  Kinderzimmer, das jetzt keins mehr ist ?  Durch ein Arbeits-

  zimmer, das eigentlich ein Sterbezimmer ist ?

 

- Wir überall und  zu jedem Zeitpunkt an Talke erinnert werden ?

  Im Haus, beim Einkaufen, im Auto, am Arbeitsplatz, Kindergarten,

  Sportverein, im Garten ....

Es gibt keinen Ort, der Zuflucht vor den Erinnerungen bietet ! Erinnerungen sind für die uns umgebenen Menschen schön - für uns sind sie eine Qual ! Es wird noch lange dauern, bis wir eine DVD mit bewegten Bildern und - noch schlimmer - ihrer Stimme hören können !

Jeder Tag ist eine neue Herausforderung und Evke der einzige Ansporn, daß wir uns nicht gehen lassen ... Am angenehmsten ist es im Bett, nicht nachdenken oder sich erklären müssen, einfach die Augen schließen und schlafen. 

   
Weihnachten sind wir geflüchtet - in unserem Haus das sogenannte "Fest der Liebe" zu feiern, dort vor vor 2 Jahren noch der Weihnachtsmann kam und Talke ein Gedicht aufsagte, war nicht möglich !  Hatten wir noch einen Funken Gottglauben, so ist dieser jetzt endgültig erloschen ! Es kann kein höheres Wesen geben, der einem kleinen unschuldigen Wesen und  uns so etwas antut ...

Evke malt Bilder für ihre Schwester und kauft von ihrem Taschengeld von Zeit zu Zeit ein Schleichtier, das wir dann alle gemeinsam auf das Grab stellen. Sie versucht für uns stark zu sein und doch brechen irgendwann die Gefühle aus der kleinen Kinderseele heraus ! Meistens passiert das abends: ein nicht enden wollender Weinkrampf oder ein Wutausbruch - ich kann mich kaum noch an eine Nacht erinnern, in der sie in ihrem Bett eingeschlafen und auch wieder aufgewacht ist ...

 

Es naht der 1. Todestag .....